Digitalisiertes Lernen in der MINT-Lehrer:innenbildung – das Projekt digiMINT am KIT
Foto: Zentrum für Lehrerbildung / Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Gastbeitrag

Digitalisiertes Lernen in der MINT-Lehrer:innenbildung – das Projekt digiMINT am KIT

von Dr. Benjamin Zienicke
veröffentlicht am 06.10.2022
Lesezeit: 6 Minuten

Die Corona-Pandemie hat die Herausforderungen der Digitalisierung an Schulen sichtbar gemacht. Insbesondere auch in den von der Praxis lebenden MINT-Fächern. Das im März 2020 am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gestartete Projekt digiMINT: digitalisiertes Lernen in der MINT-Lehrer:innenbildung tritt an, daran etwas zu ändern.

Laut Nationalem Bildungsbericht 2020 beschränkt sich der Einsatz digitaler Medien im Präsenzunterricht auf den Ersatz traditioneller Medien. Das Smartboard ersetzt die Tafel. Deutsche Schulen sind damit nicht anschlussfähig. Bereits im Lehramtsstudium, so der Bildungsbericht, spielen Digitalkompetenzen bislang kaum eine Rolle und im internationalen Vergleich sind deutsche Schulen damit nicht konkurrenzfähig.

Damit dies nicht so bleibt, startete das KIT im März 2020 das aus der Qualitätsoffensive Lehrerbildung geförderte Projekt digiMINT: digitalisiertes Lernen in der MINT-Lehrer:innenbildung. digiMINT orientiert sich dabei an der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz und ermöglicht den angehenden Lehrkräften ihr digitales Repertoire zu erweitern. Neben Arbeitsplätzen auf dem neuesten Stand der Technik werden ihnen auch die didaktischen Möglichkeiten, die die Digitalisierung hervorbringt, nahegebracht. Die Studierenden werden ermutigt, digitale Medien technisch versiert, fachdidaktisch kreativ und bildungswissenschaftlich reflektiert einzusetzen.

Als technisch ausgerichtete Universität legt das KIT seinen Schwerpunkt in der Lehrkräfteausbildung auf die MINT-Fächer. Entsprechend liegt der Fokus im Projekt digiMINT auf den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik sowie den Bildungswissenschaften. Mithilfe der vorhandenen fachwissenschaftlichen Expertise entwickelt, erprobt und evaluiert das KIT in den MINT-Fächern digitale Unterrichtseinheiten für Lehrkräfte und bereitet sie für den Transfer in die Schulpraxis vor.

Das Projekt digiLAB, gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, erweitert digiMINT noch um die Themen Sport und Technik sowie Sport und Gesundheit und baut den Themenkomplex Naturwissenschaft und Technik weiter aus.

Im Rahmen des Projekts werden am KIT, unter Führung des Zentrums für Mediales Lernen (ZML), reale und virtuelle Lernumgebungen (Digital Learning Labs) eingerichtet. Sie bieten den Studierenden eine technologisch und medienpädagogisch professionelle sowie lernzentrierte Umgebung und bilden die Basis für die Entwicklung von Unterrichtseinheiten. Diese werden im Rahmen von (neuen) Lehrveranstaltungen mit Studierenden auf Grundlage der baden-württembergischen gymnasialen Bildungspläne in den MINT-Fächern entwickelt und mit Schüler:innen in den Lehr-Lern-Laboren in den MINT-Fächern des KIT erprobt, evaluiert und gegebenenfalls angepasst.

Reale und virtuelle Lernumgebungen

Die realen und virtuellen Lernumgebungen sollen den Studierenden ermöglichen, sich die notwendigen Medienkompetenzen praxisorientiert anzueignen. Die Digital Learning Labs bilden die infrastrukturelle Basis in Form von Einsatzszenarien aktueller digitaler Phänomene u. a. zu Virtual und Augmented Reality, Videoproduktion oder zum Thema Internet of Things (IoT). Ausgehend von einer mediendidaktischen Gesamtkonzeption in Abstimmung mit den Projektpartnern werden diese und weitere Stationen umgesetzt. Gleichzeitig werden virtuelle Lernräume geschaffen, die mobiles, ortsunabhängiges Lernen in Anbindung an das am KIT etablierte Learning Management System ILIAS ermöglichen. Der virtuelle Lernraum wird um die Nutzung entsprechender Social-Media-Tools ergänzt, um Potenziale und Rahmenbedingen für den Unterricht zu eruieren. Dabei werden insbesondere auch Szenarien berücksichtigt, die den Einsatz von mobilen Endgeräten durch Bring Your Own Device (BYOD) vorsehen. Parallel wird fortlaufend analysiert, welche Bedarfe bestehen und welche realen und virtuellen Angebote und Strukturen den Erwerb digitaler Kompetenzen begünstigen.

Lehr-Lernlabore am KIT

Neben den Digital Learning Labs stehen den angehenden Lehrkräften auch die Lehr-Lernlabore des KIT zur Erprobung der neu entwickelten digitalbasierten Lernkontexte zur Verfügung. Im Lehr-Lernlabor der KIT-Fakultät für Mathematik wird den Lehramtsstudierenden u. a. umfassende Kompetenzen im Einsatz moderner mathematischer Lehr-Lern-Software vermittelt. Im Rahmen einer neu konzipierten Lehrveranstaltung werden der situationsgerechte Einsatz digitaler Werkzeuge, exemplarische Unterrichtssituationen und deren kritische Reflexion untersucht. 

Seit September 2019 wird am KIT zudem das Lehr-Lernlabor an der KIT-Fakultät für Informatik in enger Zusammenarbeit mit der PH Karlsruhe aufgebaut. In verschiedenen Formaten (Workshops, Science Camps, Schul-AGs) erhalten Lehramtsstudierende die Möglichkeit, sich im digital      gestützten und herkömmlichen Unterrichten zu erproben, und Schüler:innen können darin das Fach Informatik aus neuen Perspektiven betrachten. Im Labor wird u. a. erforscht, wann im Unterrichtsplan der ideale Zeitpunkt ist, um digitale Medien einzusetzen.

Für das Schülerlabor „MINT in Bewegung“ werden im Schwerpunkt immersive Lernkontexte, insbesondere virtuelle Lernwelten auf Basis von 360-Grad-Videos mit interaktiven Lernspots als Augmented-/Mixed-Reality entwickelt, um das Thema „Menschliche Bewegung“ erfahrbar zu machen. Inhaltlich werden Phänomene mit Alltags- und Anwendungsbezug betrachtet, u. a. physikalische Gesetzmäßigkeiten zu Rotations- oder Drehbewegungen sowie Kraft- und Beschleunigungsgesetze, aber auch biologische Aspekte des Körperbaus sowie die Energiebereitstellung und der Stoffwechselkreislauf.

Medien- und Digitalkonzept

Neben der Erweiterung der technischen Möglichkeiten in der Lehramtsausbildung in Form der Digital Learning Labs und dem Ausbau der Lehr-Lernlabore wird am Zentrum für Lehrerbildung (ZLB) des KIT in enger Zusammenarbeit mit dem ZML ein Digital- und Medienkonzept (DMK) für das Lehramtsstudium entwickelt. Ziel des DMK ist es sicherzustellen, dass Studierenden des Lehramts am KIT fachdidaktische, medienpädagogische und informatische Kompetenzen im Studienverlauf vermittelt werden, die sie dazu befähigen, digitale Medien im Unterricht, ihrem Berufsalltag und darüber hinaus sinnvoll einzusetzen und die eigene Medienkompetenz und Future Skills selbständig weiterzuentwickeln. Grundlage für das DMK sind neben der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ das Digital Competence Framework for Educators (DigCompEdu) sowie der Austausch mit dem Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte Karlsruhe (Gymnasium). Hand in Hand mit der Erstellung des DMK wurde das Seminar „Lehre.digital – Digitale Kompetenzen für Lehramtsstudierende“ entwickelt und im Bildungswissenschaftlichen Begleitstudium des Master of Education verankert.

Grafik: Zentrum für Lehrerbildung / Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Evaluation

Komplementär zu der fachbezogenen Arbeit in den Teilprojekten erfolgt die didaktische Beratung und Unterstützung. Zum einen sollen so die übergreifend bedeutsamen Möglichkeiten der personalisierten Lerndiagnose, der Binnendifferenzierung und des individualisierten Lernens durch die innovativen Lernkontexte von Beginn an systematisch eingebracht werden. Dadurch werden die Einsatzpotenziale der Lernkontexte in heterogenen Lernenden-Gruppen optimiert. Zum anderen zielt die Beratung auf die methodische Inszenierung des Einsatzes der Lernkontexte, um beispielsweise antizipierten Unterrichtsstörungen, die oftmals mit dem Einsatz digitaler Medien einhergehen, präventiv entgegenzuwirken.

Parallel dazu erfolgt die Evaluation entwickelter digitalbasierter Lernkontexte, um die nachhaltige Implementierung dieser zu fördern. Hierzu kommen je nach Zielsetzung des Lernkontextes passende empirische Forschungsmethoden der Lehr-Lern-Forschung zum Einsatz. Zudem werden qualitative und quantitative Forschungsmethoden in einem Mixed-Methods-Design verschränkt.

Projekt digiMINT

digiMINT wird im Rahmen der gemeinsamen Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.

Mehr zum Projekt digiMINT: https://www.hoc.kit.edu/zlb/Forschung_DigiMINT.php

Dr. Benjamin Zienicke

Dr. Benjamin Zienicke ist promovierter Biologe und arbeitet am Zentrum für Lehrerbildung (ZLB) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Dort koordiniert er die Projekte digiMINT und digiLAB und arbeitet an der Entwicklung des Digital- und Medienkonzepts für das Lehramtsstudium am KIT.

benjamin.zienicke@kit.edu http://www.hoc.kit.edu/zlb