Digital Leadership: Schulleitungsqualifizierung wird umgesetzt
Impuls

Digital Leadership: Schulleitungsqualifizierung wird umgesetzt

von Sofie Czilwik
veröffentlicht am 24.06.2024
Lesezeit: 7 Minuten

Das Forum Bildung Digitalisierung hat ein Konzept zur digitalisierungsbezogenen Schulleitungsqualifizierung entwickelt, in vielen Bundesländern läuft derzeit die Umsetzung. Ein Blick ins Saarland, nach Sachsen-Anhalt und Bremen zeigt: mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Dabei liegt der Bedarf viel höher als das Angebot. Doch weitere Qualifizierungsrunden sollen folgen.

Den Weg im Nebel finden, an dieses Bild erinnert sich Yvonne Schiemann. Bei der Auftaktveranstaltung der vorbereitenden Train-the-Trainer-Qualifizierung des Forum Bildung Digitalisierung im vergangenen Jahr in Berlin habe eine Schulleiterin diese Analogie verwendet, erzählt sie. „Transformation bedeutet ja auch, dass sich ständig etwas verändert. Im Gegensatz zu anderen Herausforderungen, die man so im Schulalltag hat, gibt es bei der Transformation keinen geraden Weg. Man tritt daneben, läuft manchmal in die falsche Richtung und muss sich trotzdem durch diesen Nebel kämpfen“, sagt Schiemann.

Die ausgebildete Gymnasiallehrerin wechselte vor drei Jahren zur Bremer Senatorin für Kinder und Bildung und ist heute Referentin für Lehren und Lernen in der digitalen Welt. Dort ist auch die digitalisierungsbezogene Schulleitungsqualifizierung der Freien Hansestadt Bremen angesiedelt, die zwar Teil der Bremer Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ ist, aufgrund knapper Ressourcen aber bisher nicht umgesetzt werden konnte. Daher war das Konzept der Schulleitungsqualifizierung des Forum Bildung Digitalisierung für die Bremer besonders wertvoll. „Es hat eine Lücke geschlossen“, sagt Schiemann.

Das vom Forum Bildung Digitalisierung gemeinsam mit der Dieter Schwarz Stiftung und der Akademie für Innovative Bildung und Management Heilbronn-Franken gemeinnützige GmbH (aim) sowie der Wübben Stiftung Bildung entwickelte Qualifizierungskonzept „Digital Leadership und die Gestaltung schulischer Transformationsprozesse” unterstützt die digitalisierungsbezogene Schulleitungsqualifizierung in den Bundesländern. Es befähigt Schulleitungen, digitale Schulentwicklung an ihrer Schule umzusetzen. Mehr als 240 Schulleitungsteams aus elf Bundesländern nehmen inzwischen an der Qualifizierung teil, die von Landesinstituten, Kultusministerien und weiteren Anbietern in den jeweiligen Bundesländern durchgeführt wird. Dies zeigt das überwältigende Interesse und den enormen Bedarf an einem Programm, das wie die Schulleitungsqualifizierung BD Schulleitungen nicht nur befähigt, digitale Schulentwicklung umzusetzen, sondern sie auch im Sinne von Digital Leadership stärkt.

In Bremen startete die Schulleitungsqualifizierung Mitte Mai mit Teams aus 15 Schulen, in Sachsen-Anhalt Anfang April mit 16 Schultandems und im Saarland läuft die Qualifizierung bereits seit Februar mit zehn Tandems aus Schulleiter:innen sowie Lehrkräften aus dem erweiterten Schulleitungsteam. Wie der Blick in diese drei Bundesländer exemplarisch zeigt, ist das Interesse der Führungskräfte so groß, dass alle drei Bundesländer bereits Wartelisten für zukünftige Schulleitungsqualifizierungsrunden führen.

Inhaltliche Gestaltung in jedem Bundesland anders

Das Besondere an diesem Programm ist, dass es vollständig unter einer Creative-Commons-Lizenz steht. Es ist darauf ausgelegt, frei genutzt und weiterentwickelt zu werden. „Wir haben das Programm für die saarländischen Schulen angepasst und modifiziert“, sagt Sylvia Kreutzer-Egelhaaf. Sie ist Leiterin des Fachbereichs Medienbildung und Digitalisierung in Schulen in der Abteilung Fort- und Weiterbildung am Bildungscampus Saarland, der in diesem Jahr das Landesinstitut für Pädagogik und Medien abgelöst hat. Kreutzer-Egelhaaf hat gemeinsam mit weiteren Kolleginnen aus ihrer Abteilung die Schulleitungsqualifizierung BD in drei Module gepackt. Ursprünglich gliedert sich diese in vier Abschnitte: „Digitale Führung & Haltung“, „Standortanalyse & Vision“, „Transformation & Schulentwicklung“ und „Erfolge feiern & Ausblick“. Im Saarland sind Teilnehmer:innen aus allen Schulformen vertreten, Schritt für Schritt durchlaufen sie die Theorie U nach Claus Otto Scharmer: Wo steht meine Schule? Wie fühlt sich das an? Welche Herausforderungen kommen auf meine Schule zu? Welche innere Haltung finde ich dazu? „Mit der Theorie U versuchen wir, den Fokus der Lehrkräfte auf das Wozu zu lenken”, erklärt Kreutzer-Egelhaaf. „Was haben die Schüler:innen davon?”

Die Theorie U war ein Baustein, den Ines Bieler vom Landesschulamt Sachsen-Anhalt aus ihren Qualifizierungsworkshops für Schulleitungen gestrichen hat. Geblieben ist dagegen der Kompass für den digitalen Wandel der Pädagogischen Hochschule Zürich, den die Referentin für amtsbegleitende Führungskräfteentwicklung im Landesschulamt Sachsen-Anhalt für die Qualifizierung der Schulleiter:innen in Sachsen-Anhalt beibehalten hat. „Das ist ein wichtiges Handwerkszeug für Schulleitungen. Damit können sie die für sie wichtigen Fragen stellen und selbst identifizieren, welchen Bedarf es an ihrer Schule gibt“, sagt Bieler.

»Das ist ein wichtiges Handwerkszeug für Schulleitungen. Damit können sie die für sie wichtigen Fragen stellen und selbst identifizieren, welchen Bedarf es an ihrer Schule gibt.«

Ines Bieler

Sachsen-Anhalts Schulen sind heterogen. Der Stand der Digitalisierung ist sehr unterschiedlich. Manche, erzählt Bieler, schaffen sich bereits die zweite oder dritte Generation Smartboards an, andere installieren gerade erst die ersten Beamer. Deshalb hat sie ihre Version der Schulleitungsqualifizierung nur teilweise durchgeplant. Ein großer Teil lässt Raum für die unterschiedlichen Voraussetzungen und Ziele der Schulen. Die Auftaktveranstaltung haben die Schulleitungen genutzt, um für sich ein Ziel zu formulieren, an dem sie das ganze Schuljahr über arbeiten können – zum Beispiel passende Fortbildungen für die Lehrkräfte zu organisieren oder die technische Ausstattung der Klassenräume auf den neuesten Stand zu bringen.

In Bremen spielt die Empathy Map eine zentrale Rolle in der Schulleitungsqualifizierung. Bei dieser Methode nehmen die Beteiligten verschiedene Perspektiven ein, bevor sie ihr Ziel durchsetzen wollen: Was hört die andere Person, wenn ich mein Anliegen vorbringe? Was fühlt sie, in welcher Situation ist sie? Wie verhält sie sich? „Das ist ein tolles Werkzeug, um Projekte umzusetzen, bei denen alle an der Schule Beteiligten mitgenommen werden müssen“, sagt Yvonne Schiemann.

Unterschiedliche zeitliche Umsetzung

Der Aufwand für Schulleitungen für die Qualifizierung ist groß, weil keine Workshops eingeplant sind, die nach einem Treffen abgehakt sind. Vielmehr geht es darum, Führung komplett neu zu denken, vor dem Hintergrund von digitaler Transformation und den Herausforderungen, die uns als Gesellschaft bevorstehen: Heterogenität der Schüler:innenschaft, Lehrkräftemangel, ein unsicherer Blick in die Zukunft. Doch das scheint weder die Direktor:innen in Bremen noch im Saarland oder in Sachsen-Anhalt abgeschreckt zu haben.

In Sachsen-Anhalt ist das Programm auf eineinhalb Jahre ausgelegt, mit zwei Präsenzveranstaltungen jeweils zum Auftakt und zum Abschluss. In der Zwischenzeit bieten Ines Bieler und ihr Team ab kommendem Schuljahr einmal im Monat eine digitale Sprechstunde an, um den Schulleiter:innen die Möglichkeit zu bieten, sich in ihren unterschiedlichen Prozessen beraten zu lassen.

In Bremen wird die Schulleitungsqualifizierung von einem Rahmenprogramm begleitet: Podiumsdiskussionen mit Bildungsexpert:innen oder Unternehmen, die von Veränderungsprozessen berichten und erklären, wie sie Führung in ihren Teams neu denken und organisieren. Bis März 2025 wird das Programm gehen – mit insgesamt vier Präsenzveranstaltungen, so wie es die Vorlage des Forum Bildung Digitalisierung vorschlägt.

Die drei Module im Saarland finden bis Juni dieses Jahres statt. Das bedeutet aber nicht, dass die Qualifizierung damit abgeschlossen ist. Denn der Bedarf an Beratung und Austausch bleibt. Gerade arbeiten Sylvia Kreutzer-Egelhaaf und ihre Kolleg:innen an einem Konzept, das die Beratung ab Sommer professionalisieren soll, indem sie Schulentwicklungsteams vor Ort besuchen und coachen. „Mir ist wichtig, dass aus dieser Qualifizierung eine nachhaltige Entwicklung an den Schulen entsteht“, sagt sie. „Der Bedarf ist da, das haben die Anmeldungen für das Qualifizierungsprogramm gezeigt.“ Die Mehrheit der saarländischen Schulen war an der Schulleitungsqualifizierung interessiert, doch nur eine kleine Gruppe kann nun im ersten Durchlauf mitmachen.

»Mir ist wichtig, dass aus dieser Qualifizierung eine nachhaltige Entwicklung an den Schulen entsteht.«

Sylvia Kreutzer-Egelhaaf

Der Wunsch nach Vernetzung ist groß

Egal ob im großen Flächenland Sachsen-Anhalt im Osten, im kleinen Saarland im Westen oder im Zwei-Städte-Staat Bremen im Norden – der Wunsch nach Vernetzung unter den Schulleiter:innen und in den Schulleitungsteams scheint sehr groß. Offenbar ist in dem stressigen Schulalltag dafür am allerwenigsten Zeit. Auch dafür sind die Schulleitungsqualifizierungen gedacht. „Sie lernen mehr voneinander als von jedem Vortrag“, sagt Ines Bieler. Das merke sie auch in den digitalen Sprechstunden.

Auch bei der Informationsveranstaltung zur Qualifizierungsmaßnahme in Bremen äußerten viele Schulleitungen, dass sie die kommenden Veranstaltungen vor allem zur Vernetzung und zum Austausch nutzen wollen, sagt Yvonne Schiemann. Die Abschlussveranstaltung Anfang nächsten Jahres wird auch dazu dienen, dass sich die Schulleitungsteams eine gemeinsame Plattform überlegen, wie sie zukünftig im Austausch bleiben wollen.

Auch für Sylvia Kreutzer-Egelhaaf aus dem Saarland ist die Vernetzung wichtig – nicht nur unter den Schulen im Land selbst, sondern vor allem mit anderen Bundesländern. „Das Projekt des Forums hat uns wirklich zusammengeschweißt“, sagt sie. Sie war mit ihrem Team schon in Hamburg und telefoniert regelmäßig mit den Rheinland-Pfälzern zu Themen der Schulleitungsqualifizierung. „Vielleicht wird es in Zukunft ein gemeinsames Treffen geben, damit sich die jeweiligen Schulleitungen direkt austauschen können. Das wäre richtig gut“, sagt sie.

Sofie Czilwik

Sofie Czilwik ist freie Journalistin in Berlin. Sie schreibt Reportagen und Features für Zeitungen und Magazine und produziert kürzere und längere Stücke für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk über (Un-)Gerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und persönliche Geschichten. Außerdem ist sie Trainerin für Journalismus und Medienarbeit. Zurzeit vermittelt sie Jugendlichen und jungen Erwachsenen journalistisches Arbeiten und Kompetenzen sowie die Bedeutung von freien Medien für demokratische Gesellschaften.