Interview

Lab BD: „Es ist unglaublich, wie viele Ideen und Anregungen von anderen Teilnehmenden für die eigenen Themen zusammenkommen“

von Klaus Lüber
mit Beata Warszewik-König und Christopher Neeb
veröffentlicht am 02.11.2022
Lesezeit: 7 Minuten

Im LabBD arbeiteten Schulleitungen und Vertreter:innen der Schulaufsicht und des Schulträgers zusammen. Ziel war es, den Austausch zwischen den  Akteursgruppen zu fördern und gemeinsam Strategien für die Gestaltung der digitalen Transformation zu erarbeiten. In einem dieser Teams arbeiteten Beata Warszewik-König von der Bremer Schulaufsicht und Christopher Neeb, stellvertretender Schulleiter eines Gymnasiums in freier Trägerschaft in Thüringen.

Als „Bermudadreieck der Zuständigkeiten“ beschreiben Mark Rackles, Staatssekretär a. D. in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Berlin, und Maike Reese, freiberufliche Organisations- und Schulentwicklungsberaterin in einem Anfang 2022 veröffentlichten Impulspapier des Forum Bildung Digitalisierung das Spannungsfeld zwischen Schulen, Schulträgern und Schulaufsichten. Darin drohe das zu verschwinden, was essenziell für digitale Schulentwicklung ist: die digitale Schulentwicklung. Um dieses Problem anzugehen, hat das Forum 2020 das Lab BD ins Leben gerufen. Zunächst nur für Schulträger, dann erweitert um Schulleitungen und 2022 schließlich auch um die Schulaufsichten. Ziel ist es, einen Dialograum zu schaffen für Akteure, die immer noch viel zu oft aneinander vorbei arbeiten, statt sich gegenseitig zu unterstützen. Wie haben die Teilnehmenden selbst das Programm wahrgenommen? Und welche Learnings nehmen Sie mit in ihren beruflichen Alltag?

Foto: Laurin Schmidt / CC BY 4.0

Zur Person

Beata Warszewik-König ist seit 2019 Schulaufsicht für Oberschulen, Gymnasien und gymnasiale Oberstufen bei der Senatorin für Kinder und Bildung in Bremen tätig. Nach dem Studium der Fächer Spanisch und Deutsch in Göttingen und Salamanca und dem Referendariat in Nordrhein-Westfalen arbeitete sie am Gymnasium (Niedersachsen) und an Oberschulen. Bis 2019 war sie zehn Jahre Schulleiterin der Wilhelm-Focke-Oberschule in Bremen.

Frau Warszewik-König, Herr Neeb, beim LabBD haben Sie ein Tandem gebildet aus Schulleitung, Schulträger und Schulaufsicht. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der Austausch zwischen diesen drei Akteursgruppen nicht besonders gut funktioniert. Erleben Sie das auch in Ihrem beruflichen Alltag?

Beate Warzewik-König: Das kann ich so eigentlich nicht bestätigen. In einem kleinen Bundesland wie Bremen sind die Wege sehr kurz und der Austausch damit kein Problem. Aber natürlich gibt es immer noch die Notwendigkeit für Verbesserungen. So gibt es bislang noch keinen Jour fixe. Dies wäre für die Zukunft noch eine Möglichkeit der Optimierung.

Christopher Neeb: Mir geht es da ähnlich. Der Austausch funktioniert eigentlich recht gut. Der Draht zu unserer Schulträgerin ist kurz, die Zusammenarbeit partnerschaftlich. Zur Schulaufsicht besteht zwar anlassbezogener Kontakt, durch die Besonderheit der freien Trägerschaft meiner Schule beschränkt sich dieser aber auf ausgewählte Thematiken im Laufe eines Schuljahres.

Sie arbeiten zwar in verschiedenen Regionen und stehen im beruflichen Kontext nicht in direktem Austausch. Was nehmen Sie dennoch aus der gemeinsamen Workshop-Arbeit für Ihren beruflichen Alltag mit?

Christopher Neeb: Zunächst einmal war es erstaunlich, wie vertraut die Atmosphäre beim Workshop war. Die Organisator:innen haben es geschafft, Menschen aus verschiedenen Regionen mit unterschiedlichen Rollen in ihrem Berufsalltag gleichermaßen zum offenen Austausch zu animieren – es hat mehr als funktioniert. Das ist ein Schlüsselelement in der Teamarbeit, welches ich für den beruflichen Alltag beispielhaft mitnehme. Hinzu kommt etwas, das ich bisher in der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften, bei Workshops oder Konferenzen nur sehr selten erlebt habe. Man hat das Motto „practice what you preach“ wirklich ernst genommen und auf diese Weise einen Denkprozess angestoßen – methodenvielfältig, zukunftsgerichtet und kooperativ. Das gibt einer Lehrkraft natürlich auch Ideen für die tägliche Arbeit. 

Beata Warszewik-König: Dem möchte ich mich anschließen und hinzufügen, dass es eine besondere Erfahrung war, über eine längere Zeit am Stück an einem Thema zu arbeiten und ein gutes Ergebnis mitzunehmen. Das ist im Alltagsgeschäft nicht unterzubringen. Trotzdem werde ich versuchen, in meinem Zuständigkeitsbereich etwas zu verändern.

Wo liegen die aktuellen Herausforderungen in der Abstimmung zwischen Schulleitungen, Schulträgern und Schulaufsicht?

Beata Warszewik-König: Bremen ist in der Infrastruktur schon ziemlich weit. Kollegien und Schüler:innenschaft sind zu 100 Prozent mit iPads ausgestattet. Eine einheitliche Plattform (itslearning) ist flächendeckend in Nutzung. Der nächste Schritt ist, in den Schulen digitalen und analogen Unterricht systematisch und sinnhaft zu verbinden. Dazu bedarf es einer Strategie.

Christopher Neeb: Es ist wichtig, eine gemeinsame Plattform zu schaffen, die Bedürfnisse und Wünsche aller Beteiligten aufgreifen kann, um nicht am Bedarf vorbeizuplanen. In den letzten Jahren haben sich einige Herangehensweisen bewährt und andere als nicht sinnvoll erwiesen. Aus diesen Beispielen gilt es, die bestmögliche Strategie auszuwählen, um die Vorzüge des Digitalen und Analogen gleichermaßen im Lernprozess zu verankern.

Welche Herausforderung haben Sie in der Auftaktveranstaltung des LabBD 2022 identifiziert und wie wollen Sie diese lösen? Welche Prototypen haben Sie dazu entwickelt?

Christopher Neeb: Im Tandem haben wir identifiziert, dass zukunftsgerichtete Strukturen und Arbeitsweisen nur implementiert werden, wenn einige Dinge zusammenkommen. Dazu gehören Mut für das Ausprobieren und Vorangehen, sowie Technik, die nicht nur den gesetzlichen Vorgaben entspricht, sondern auch intuitiv handhabbar ist sowie einen echten Mehrwert darstellt. Oder auch der Austausch zwischen so vielen Akteuren wie möglich, um Arbeit, aber auch Fehler nicht doppelt zu machen. Für uns als Tandem standen gerade dieser Austausch und die Kommunikation im Zentrum des ersten Treffens. Als Lösung haben wir eine Kommunikationsplattform mit zugehörigen Strukturen angedacht, welche die Vorhaben von Mitarbeitenden im Bildungssektor gelingen lassen sollen. Der Prototyp hat sich dann in eine etwas andere Richtung entwickelt, die stärker auf die Öffnung von Schule zum regionalen Umfeld zielt, da das Tandem bei der Folgeveranstaltung nicht gemeinsam vor Ort sein konnte.

Beata Warszewik-König: Unser mitgebrachter Gedanke war, wie es mit der vorhandenen guten Ausstattung und Struktur nun gelingen kann, analoges und digitales Lernen im und außerhalb des Unterrichts durch zukunftstaugliches Lernen sinnhaft zu verbinden. Dabei war spannend zu sehen, dass das Thema nicht nur für uns wichtig war, sondern auch die Kolleg:innen aus anderen Bundesländern zur Mitarbeit anregte. Dieser multiperspektivische Ansatz hat uns sehr geholfen. Beim letzten Treffen gelang es uns tatsächlich, einen Weg zu planen, wie der Anfangsgedanke konkreter in einer Schule umgesetzt werden könnte, um anschließend als Best Practice für die Entwicklung an anderen Schulen zu dienen. Unser Fokus lag am Ende bei der Frage: „Was ist der Gewinn für die Schüler:innen und wie können wir sie bereits im Entwicklungsprozess beteiligen?“

Foto: Laurin Schmidt / CC BY 4.0

Zur Person

Christopher Neeb ist stellvertretender Schulleiter am Evangelischen Gymnasium Meiningen, an dem er seit 2016 auch als Sport- und Englischlehrer arbeitet. Nach dem Studium in Bayreuth und Stockholm sowie dem Referendariat in Bayern überzeugte ihn das Evangelische Gymnasium in Meiningen, zunächst noch als Schule im Aufbau, von dessen Konzept und Potenzial.

Was ist neu an Ihrem Lösungsansatz und welche Schritte sind notwendig, um ihn auch im Berufsalltag zur Anwendung zu bringen?

Christopher Neeb: Das Neue ist die Möglichkeit, sich im Berufsalltag viel unkomplizierter zu vernetzen, als es bisher geschieht. Und zwar mit dem Ziel, auf Fragen nicht nur schnelle Antworten zu finden, sondern auch standortübergreifend an Projekten zu arbeiten und von diesen zu profitieren. Schulen können sich mit dem von uns entwickelten Format viel leichter für die Zukunftsfragen der Region öffnen.

Beata Warszewik-König: Um sich auch im Berufsalltag etablieren zu können, ist unser Projekt gleichzeitig systemisch und kleinschrittig angelegt. Das heißt, es soll möglich sein, es in kleinen Schritten umzusetzen – neben der aktuellen Arbeitsbelastung, die an der Schule und im Hause der Senatorin für Kinder und Bildung bereits herrscht. Auf diese Weise können eventuelle Schwierigkeiten oder Umwege zunächst im Kleinen – zum Beispiel innerhalb eines Jahrgangs – sondiert werden, bevor man das Projekt auf das gesamte System Schule ausweitet.

Welche Tipps und Hinweise würden Sie den Teilnehmenden des nächsten Labs auf den Weg geben?

Christopher Neeb: Lassen Sie sich darauf ein, saugen Sie die Atmosphäre und Methoden auf und nehmen Sie etwas von der Inspiration in Ihren Alltag mit.

Beata Warszewik-König: Unbedingt sollte man die Zeit nutzen und über den eigenen Tellerrand schauen. Es ist unglaublich, wie viele Ideen und Anregungen von anderen Teilnehmenden für die eigenen Themen zusammenkommen. Und es lohnt sich, diesen Austausch auch zwischen den einzelnen Workshops beizubehalten.

Klaus Lüber

Klaus Lüber studierte Kulturwissenschaft, Publizistik und Philosophie in Berlin und München. Als freier Redakteur und Autor arbeitet er unter anderem für den F.A.Z.-Verlag, die Volkswagenstiftung und den Thinktank iRights.Lab. Zu seinen Lieblingsthemen zählen Innovation, Digitalisierung und Bildung. Er lebt und arbeitet in Berlin.

https://www.klauslueber.de/