Re-Definition der digitalisierungsbezogenen Schulleitungsfunktionen in der Pandemie-Zeit und danach
Illustration: Samy Löwe
Gastbeitrag

Re-Definition der digitalisierungsbezogenen Schulleitungsfunktionen in der Pandemie-Zeit und danach

von Birgit Eickelmann
veröffentlicht am 03.06.2021
Lesezeit: 13 Minuten

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, die unverändert weltweit mit vielfältigen Herausforderungen im Bildungsbereich einhergeht, stellt sich die Frage, inwiefern es die Rolle der Schulleitung im Kontext schulischer Digitalisierung zu re-definieren gilt. Ein internationales Schulleitungsmodell hilft dabei zu verstehen, welche erweiterten digitalisierungsbezogenen Arbeitsfelder von Schulleitungen sich in der Pandemie-Zeit und danach ergeben und wie sich die Schwerpunktsetzungen verschieben.

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich der Arbeitsalltag von Schulleitungen mit einer neuen Dynamik verändert. Diese pandemie-induzierten Veränderungen betreffen nicht allein die Entstehung neuer Arbeitsfelder wie etwa die Entwicklung von schulischen Hygienekonzepten oder neuen pädagogischen und organisatorischen Konzepten. Vielmehr geht es insgesamt um die Steuerung schulischer Arbeit im Spannungsfeld der aktuellen bildungspolitischen Entscheidungen und der aufgrund der Pandemie erforderlichen Re-Organisation des schulischen Lehrens und Lernens unter unvorhersehbaren Bedingungen. Über allem steht, den Schul- und Unterrichtsalltag bestmöglich für alle beteiligten schulischen Akteur:innen gestaltbar zu machen und schlicht das Schulleben im neuen Bedingungsgefüge zusammenzuhalten. Schulische Leitungsarbeit steht dabei mehr denn je unter Beobachtung. Das verantwortungsvolle Agieren von Schulleitungen bestimmt scheinbar spürbarer als bisher, ob und in welcher Weise Schulen ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag nachkommen können – in der Pandemie-Zeit und darüber hinaus.

»Auf Schulebene gilt es an die digitalisierungsbezogenen Innovationsprozesse anzuknüpfen und diese ausgehend vom jeweiligen Entwicklungsstand der eigenen Schule durch kluges Schulleitungshandeln zu steuern.«

Birgit Eickelmann

Schulspezifische Wege, neue Chancen und innovative Ansätze werden seit Beginn der Corona-Pandemie und der mit den Lockdowns einhergegangenen Schulschließungen erprobt und sind vielfach eng mit dem Schlagwort „Digitalisierungsschub“ verbunden. Daran geknüpft sind große Hoffnungen, schulische Digitalisierungsprozesse endlich auch in Deutschland in der Fläche voranzutreiben. In diesem Bereich werden Deutschland im internationalen Vergleich vor allem auf der Grundlage der ICILS-Studien (International Computer and Information Literacy Study) seit Jahren große Entwicklungsbedarfe bescheinigt (Bos, Eickelmann, Gerick, Goldhammer, Schaumburg, Schwippert, Senkbeil, Schulz-Zander & Wendt 2014; Eickelmann, Bos, Gerick, Goldhammer, Schaumburg, Schwippert, Senkbeil & Vahrenhold 2019). In der Gesamtdiskussion wird gelegentlich jedoch wenig berücksichtigt, dass die Ausgestaltung schulischer Digitalisierungsprozesse auf der Ebene der Einzelschulen schon vor und auch jetzt während der Pandemie-Zeit hochgradig unterschiedlich verlaufen ist – auf einer Skala von fast voll-analog bis leuchtturmartig-innovativ. So konnte die ICILS-2018-Studie aufzeigen, dass hinsichtlich schulischer Ziele und Prioritätensetzung im Kontext des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien mehr als zwei Drittel der Achtklässler:innen in Deutschland in der ersten Jahreshälfte 2018 eine Schule besuchten, in der die Schulleitung zentrale digitalisierungsbezogene schulische Zielsetzungen als wichtig erachtete. Mehr als die Hälfte (56,8 Prozent bzw. 50,8 Prozent) der Schüler:innen besuchte eine Schule, in der die Schulleitung die Förderung eines sicheren und angemessenen Umgangs mit digitalen Medien sowie grundlegender computerbezogener Fähigkeiten als sehr wichtiges schulisches Bildungsziel ihrer Schule einschätzte (Eickelmann & Labusch 2019).

Über die ICILS-Studien

Die Studie ICILS (International Computer and Information Literacy Study) ist eine international vergleichende Schulleistungsstudie, die von der IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievement) koordiniert wird. Mit ICILS werden seit 2013 die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Achtklässler:innen untersucht. Darüber hinaus werden die Rahmenbedingungen des Erwerbs dieser Kompetenzen auf verschiedenen Ebenen (Schulsystem, Schule, Unterricht und Individualebene) und umfangreiche Informationen zum schulischen Lehren und Lernen mit digitalen Medien erfasst. Seit dem zweiten Studienzyklus (ICILS 2018) werden im Rahmen eines Zusatzmoduls zudem die Kompetenzen im Bereich Computational Thinking untersucht. Derzeit wird der dritte Zyklus der Studie (ICILS 2023), der in Deutschland erneut durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und durch die Europäische Kommission kofinanziert wird, vorbereitet. Das nationale Forschungszentrum der Studie liegt an der Universität Paderborn unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Birgit Eickelmann. Mehr Informationen sowie die Ergebnisse der bisherigen ICILS-Studien finden Sie hier.

In Bezug auf die Pandemie-Zeit zeigen Ergebnisse der Studie Schule auf Distanz (Vodafone Stiftung 2020) ferner, dass sich 62,5 Prozent der Lehrkräfte während der Zeit der Schulschließung gut durch ihre Schulleitung unterstützt gefühlt haben, 28,6 Prozent äußerten hingegen den Wunsch nach mehr Unterstützung. Vor diesem Hintergrund, vor allem aber mit Blick auf die weitere schulische Arbeit in der Pandemie-Zeit stellt sich die Frage, ob und wie sich Schulleitungsfunktionen gerade verändern und wie digitalisierungsbezogene Schulleitungsfunktionen (Fugmann, Eickelmann & Neubauer 2019) im Hinblick auf die Steuerung und Gestaltung schulischer Arbeit neu zu definieren sind. Dabei geht es nicht nur darum, dass sich die Arbeitsfelder von Schulleitungen erweitern. Für erfolgreiches Schulleitungshandeln ist auch zu berücksichtigen, dass sich die digitalisierungsbezogenen Schulleitungsfunktionen teilweise in Nuancen, teilweise substanziell, aber nicht zwingend strukturell verändern. Dieser Umstand scheint eine Re-Definition von erfolgreichem pädagogischem Leitungshandeln erforderlich zu machen.

Steuerung digitalisierungsbezogener schulischer Innovationsprozesse in der Pandemie-Zeit

Schulische Veränderungsprozesse – und um einen solchen handelt es sich bei Digitalisierungsprozessen – werden schon allein aufgrund ständiger technologischer Veränderungen nicht allein durch äußere Gegebenheiten und disruptive Initiationsprozesse bestimmt. Daher wird an Schulen die Hoffnung herangetragen, dass die Pandemie in Deutschland flächendeckend zu einem im besten Fall nachhaltigen Digitalisierungsschub führt. Auf Schulebene gilt es daher, an die digitalisierungsbezogenen Innovationsprozesse anzuknüpfen und diese ausgehend vom jeweiligen Entwicklungsstand der eigenen Schule durch kluges Schulleitungshandeln zu steuern. Dabei sind schulspezifisch verschiedene Szenarien denkbar. In diesem Kontext ergibt sich für Schulen eine Gemengelage: von langerhofftem Rückenwind für die eigenen Digitalisierungsprozesse durch die Pandemie-Situation und ihrer bildungspolitisch unterstützenden Aufarbeitung bis hin zu einer wahrgenommenen äußeren Verschiebung digitalisierungsbezogener schulischer Zielsetzungen, die wenig oder kaum an die Vorarbeiten und Errungenschaften der eigenen Schule anknüpfen.

Vor diesem Hintergrund und der jeweiligen schulspezifischen Situation gilt es für Schulleitungen in den nächsten Monaten umso mehr, ihre digitalisierungsbezogenen Leitungsfunktionen zu systematisieren, zu reflektieren und dort, wo sinnvoll und nötig, nachzusteuern.

In dieser besonderen, vielfach unübersichtlichen Lage gilt es für Schulleitungen und Schulen, Innovationsbilanzen in der schulischen Arbeit zu verankern: Welche Innovationen sind uns in bzw. aufgrund der Pandemie-Situation gelungen? Welche schulischen Innovationen bzw. Veränderungen stehen darüber hinaus für uns an bzw. waren ursprünglich eigentlich angesetzt? Dabei ist möglicherweise festzumachen, dass trotz der Bandbreite der Passung zwischen externem Digitalisierungsschub und schulinterner Digitalisierungsvision die IT-Ausstattung für nachhaltige Digitalisierungsprozesse auch weiterhin allein nicht ausschlaggebend sein wird (Gerick & Eickelmann 2019) – auch wenn es für viele Schulen eine große Errungenschaft darstellt, hier einen neuen bzw. weiteren Schritt Richtung Zukunft zu gehen. Vor diesem Hintergrund und der jeweiligen schulspezifischen Situation gilt es für Schulleitungen in den nächsten Monaten umso mehr, ihre digitalisierungsbezogenen Leitungsfunktionen zu systematisieren, zu reflektieren und dort, wo sinnvoll und nötig, nachzusteuern.

Re-Definition der digitalisierungsbezogenen Schulleitungsfunktionen

In der nationalen und internationalen Forschungsliteratur gibt es zahlreiche Modelle, die Funktionen von Schulleitungen und schulischen pädagogischen Führungskräften, also für den deutschen Kontext im Sinne von erweiterten Schulleitungen, im Zuge schulischer Digitalisierungsprozesse beschreiben. Dexter (2018) beispielsweise fokussiert in ihrem Modell die besondere Funktion von Schulleitungen, Richtungen für die schulische Arbeit und die Entwicklung und Festlegung der Integration von Technologien. Ihr Modell eignet sich gut, um die Re-Definition digitalisierungsbezogener Schulleitungsfunktion in der Pandemie-Zeit zu beschreiben. Dexter gliedert ihr Modell in vier übergreifende Zielbereiche digitalisierungsbezogenen Schulleitungshandelns (vgl. Abbildung 1). Obwohl diese vier Zielbereiche vor der Pandemie formuliert wurden, können sie eine Grundlage für die Steuerung schulischer Digitalisierungsprozesse unter den neuen Bedingungen bilden. Dafür werden sie im Folgenden kurz skizziert und für die Pandemie-Situation re-definiert.

  1. Die Identifikation einer gemeinsamen und klaren Vision zur Nutzung von Technologien für das Lehren und Lernen beschreibt Dexter (2018) als den ersten Grundstein für erfolgreiches Schulleitungshandeln im Kontext schulischer Digitalisierungsprozesse. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass das Hauptziel aller Bestrebungen die Unterstützung des Lernens der Schüler:innen ist. Bricht man diesen Anspruch an Schulleitungshandeln auf die besondere Situation der Leitung und Gestaltung von Schule in der Pandemie-Zeit herunter, so wird zunächst deutlich, dass es im Kern auch jetzt um das Lernen der Schüler:innen, um ihre Lernprozesse und die Sicherstellung von Lernerfolgen geht. Vor diesem Hintergrund müssen in Schulen Entscheidungen getroffen und festgelegt werden, an welchen Stellen und in welcher Art und Weise digitale Möglichkeiten genutzt werden können. 
  2. Die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses für digital gestütztes Lernen im Kollegium durch die Einbeziehung der Lehrkräfte nennt Dexter (2018) als zweiten wichtigen Baustein erfolgreichen Schulleitungshandelns im Kontext schulischer Digitalisierungsprozesse. Das schließt die Entwicklung eines Konsens darüber, wie Technologien in der eigenen Schule genutzt werden sollen, um (pädagogische) Zielsetzungen zu erreichen, mit ein. Dabei weist sie hier auf die Notwendigkeit hin, die Einstellungen, Kompetenzen, Haltungen und Wünsche des Kollegiums substanziell einzubeziehen, damit anstehende Innovationsprozesse unmittelbar an der eigenen schulischen Arbeit ansetzen und nachhaltig sein können.
    Geht man auch hier den Schritt der Übertragung auf die Pandemie-Situation, so wird trotz aller Unwegbarkeiten und Unvorhersehbarkeiten und trotz möglicher Unterschiedlichkeiten im Kollegium eines deutlich: Es erscheint unabdingbar, das Kollegium in die Entwicklung von gangbaren digital gestützten oder digital angereicherten Wegen einzubeziehen. Im Kern geht es somit um die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Zielsetzungen digital gestützten Lehrens und Lernens in der Pandemie-Zeit (vgl. dazu auch Eickelmann & Gerick 2020).
  3. Die Identifikation von Erwartungen sowie die Begleitung und Beobachtungen der Entwicklungen bilden laut Dexter (2018) die dritte Zielsetzung digitalisierungsbezogenen Schulleitungshandelns. In diesem Punkt geht es ihr darum, sich als Schulleitung fortwährend ein Bild davon zu machen, wie die Lehrkräfte der eigenen Schule digitale Möglichkeiten nutzen, wie das digital gestützte Lernen umgesetzt wird und wie es – durchaus auch vor der Folie der Qualität des Lernens der Schüler:innen – einzuschätzen und zu bewerten ist. Dafür sollten schulische Daten generiert und ausgewertet werden und an Gelenkstellen auch die Professionalisierung im Sinne einer Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften vor dem Hintergrund ihrer Erträge für die Veränderung schulischen Lehrens und Lernens eingeschätzt werden. Auf den ersten Blick erscheint dieser Aspekt nur bedingt auf die Pandemie-Situation übertragbar, insofern hinter dem Gedanken des Monitorings und der Begleitung der digitalisierungsbezogenen Professionalisierung von Lehrkräften eine längerfristige Perspektive eingenommen wird. Unabhängig von der Dauer der Pandemie-Situation kann hier jedoch sowohl kurz- als auch mittelfristig im Bereich der Erwartungen und der Begleitung der Entwicklungen geplant werden. Kurzfristig können durch schulinterne Befragungen und Rückmeldeverfahren sowohl die Erwartungen der verschiedenen schulischen Akteur:innen – also im Grunde nicht nur von den Lehrkräften, sondern auch von Schüler:innen und Eltern – erhoben werden, als auch die Umsetzung der gewählten Ansätze in der Pandemie-Zeit durch schulinterne Evaluationen begleitet werden. Mittel- bis längerfristig können so wichtige Grundlagen für digitalisierungsbezogene Innovationsprozesse in der eigenen Schule geschaffen werden, die vielleicht über die Pandemie-Zeit hinausgehen und in tatsächliche Digitalisierungsschübe münden.
  4. Im vierten von Dexter (2018) beschriebenen Punkt geht es um die vonseiten der Schulleitung zu gestaltende Kommunikation der Ziele und der Gesamt-Vision innerhalb der Schule und mit den schulischen Partnern, insbesondere mit den Lehrkräften und den Eltern. Dexters sehr konkreter Vorschlag, dass diese Kommunikation monatlich erfolgen sollte, ist einerseits ein Hinweis, der vor allem darauf abzielt, dass Kommunikationswege und -regelmäßigkeiten strukturell in der Schule verankert sein müssen. Andererseits scheint insbesondere bei digitalisierungsbezogenen Innovationsprozessen die regelmäßige Einbeziehung von Lehrkräften und Eltern erforderlich zu sein, um deren Ertrag für das Lehren und Lehren bestmöglich nutzbar zu machen.

In der Pandemie-Zeit können diese von Dexter schon vor der Pandemie formulierten Zielsetzungen nochmals unterstrichen werden und auch darüber hinaus mit Blick auf eine Zukunft nach der Pandemie Anwendung finden. Das Kollegium und die Eltern in die Kommunikation einzubeziehen, schulische Zielsetzungen unter veränderten Bedingungen zu kommunizieren, zu klären, welche Rolle das digital gestützte Lernen in der eigenen Schule spielt, sich Feedback einzuholen, Sorgen und Erwartungen zu erfassen und Unterstützungsbedarfe geltend zu machen, scheinen in der aktuellen Situation von nochmals gestiegener Relevanz und diese Aspekte werden auch künftig noch bedeutsamer werden. Dabei ist zu ergänzen, dass modernes Schulleitungshandeln auch die Perspektive der Schüler:innen einbezieht und hier die in der Pandemie-Situation so wichtige Beziehungsebene zwischen Schule und Lernenden nochmal durch Kommunikation gestärkt werden kann. Dabei sind vermutlich im besten Fall nicht nur digital gestützte Kommunikationswege gemeint, sie bieten sich aber sicherlich stellenweise durchaus an.

Mögliche Handlungsperspektiven für Schulleitungen

Der Blick auf Schule hat sich in der bisherigen Pandemie-Zeit bereits deutlich verändert. Zum einen wurde nicht zuletzt in der Zeit der allgemeinen Schulschließungen im Frühjahr und Herbst 2020 und der sich daran anschließenden Frage, wie eine schrittweise Öffnung von Schulen gestaltet und das neue Schuljahr organisiert werden können, der hohe Stellenwert von Schule für das Funktionieren der Gesellschaft in einer für Deutschland so noch nicht dagewesenen Form diskutiert. Zum anderen zeigte sich sehr deutlich, dass die Schulsysteme in Deutschland in zwei Bereichen große Entwicklungsbedarfe haben: (1) die sozial bedingten Bildungsdisparitäten, also die in Deutschland besonders starke Kopplung des Bildungserfolgs an die soziale Lage der Schüler:innenfamilien, und (2) der Stand der Digitalisierung im Schulbereich. Diese beiden eigentlich gut sichtbaren, aber blinden Flecken in der Debatte waren aufgrund der Vielzahl an Forschungsbefunden, die dazu bereits u. a. aus den großen Schulleistungsstudien vorliegen, eigentlich nicht überraschend.

Dass die Digitalisierung bildungspolitisch gut sichtbar eine neue Dynamik bekommen hat, beeinflusst derzeit maßgeblich die Arbeit von Schulen und Schulleitungen. Begleitet werden die aktuellen Entwicklungen von dem Innovationspotenzial und den zahlreichen digitalisierungsbezogenen Innovationen, die sich in der Zeit der Schulschließungen und danach in Schulen ergeben haben. Das ist vielversprechend und gibt Hoffnung trotz der durch die Pandemie bedingten schwierigen Lage. Damit sich diese Hoffnungen und auch die von außen an den Schulbereich gestellten digitalisierungsbezogenen Erwartungen erfüllen können, erscheint eine Re-Definition der Schulleitungsfunktionen im Kontext von Digitalisierungsprozessen erforderlich, die sich exemplarisch entlang des internationalen Modells nach Dexter (2018) in den oben dargestellten vier Zielbereichen ausdifferenzieren lässt. Für den deutschen Kontext erscheinen daran anknüpfend und teilweise darüber hinausgehend die nachfolgend dargestellten fünf Handlungsperspektiven für digitalisierungsbezogenes Schulleitungshandeln in der Pandemie-Zeit besonders relevant:

  1. Die Entwicklung einer gemeinsamen schulischen Vision und eines gemeinsamen Verständnisses digital gestützten Lehrens und Lernens.
  2. Die qualitäts- und kompetenzorientierte Steuerung schulischer Arbeit vor dem Hintergrund gestiegener Digitalisierungsansprüche im Schulbereich.
  3. Die digitalisierungsbezogene Professionalisierung des Kollegiums in der Balance der Spannungsfelder Be- und Entlastung sowie der Ermöglichung und der Unterstützung von Innovationsgeist unter Beibehaltung ausgewählter bewährter Strukturen zur Sicherung des Schulbetriebs.
  4. Die Bilanzierung (digitalisierungsbezogener) schulischer Innovationsgewinne und -verluste im Sinne des Feierns von Erfolgen und der Sicherung schulischer Innovationsprozesse auch jenseits der Pandemie-Situation.
  5. Die Fokussierung der wichtigen und schulspezifischen Zielperspektiven der Digitalisierungsprozesse für das Lehren und Lernen und eine zukunftsfähige Gestaltung von Schule über die aktuelle Euphorie und über die aktuellen IT-Ausstattungsprogramme hinaus.

Dabei könnte im weiteren Verlauf der Pandemie und darüber hinaus der Leitgedanke bei allem Schulleitungshandeln sein – wie auch schon bei Digitalisierungsprozessen vor der Pandemie – dass die Schüler:innen sowie die bestmögliche Gestaltung des Arbeitsplatzes „Schule“ für das eigene Kollegium immer im Vordergrund stehen. Die Basis dafür sollte eine auf der Beziehungsebene wirksame und zukunftsgewandte Steuerung schulischer Prozesse sein.

Birgit Eickelmann

Birgit Eickelmann ist Professorin für Schulpädagogik an der Universität Paderborn. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der digitalen Schulentwicklung und der Transformation von Schulen und Schulsystemen im 21. Jahrhundert. Seit fast 20 Jahren erforscht sie mit einer international und europäisch vergleichenden Perspektive die Entwicklung von Schule und Unterricht unter den Bedingungen gesellschaftlicher Digitalisierungsprozesse. Für Deutschland leitet sie unter anderem die IEA-Studien ICILS 2013, 2018 und 2023.

birgit.eickelmann@upb.de https://www.upb.de/eickelmann

Literatur